Wolfgang Schulz

Autor


 

Ein seltsam Wesen

 

 

Millionen hungern nah an reich gedeckten Tischen,

für sie vom Brot nur Krumen und Gräten von den Fischen.

Die Erde ist so reich, Milliarden könnten rasch  genesen.

Was ist der Mensch doch für ein seltsam Wesen?

 

Es heißt – die Kurse müssen steigen!

Und schon beginnt ein wahnsinnsnaher Reigen:

Es wird verbrannt die goldne Weizenflut!

Dem Fisch zum Fraß viel heiß begehrtes Lebensgut!

 

Weil Wiederaufbau lukrativ, oh welche Schande,

zerbombt man Stadt, Kultur und schönste Lande!

Das Öl diktiert, der Weltgeist schweigt, ist voller Grimm,

dass Mammon nun der letzte und der ganze Sinn.

 

Zahnlos siecht so mancher arme Tropf,

weil Kassen leer, doch brechend voll der Pharmatopf.

Private Konten prall, dass alle Nähte platzen,

Kommun` und Staat verarmt nach unserm letzten Penny kratzen.

 

Noch immer raubt der Krebs viel Menschenkinder,

weil Geld für Rüstung maßlos fließt, und kläglich minder

für den Mensch, dem der Pfennig knapp gezählt.

Oh, armer Mensch, wie lange noch  wirst du gequält?

 

 

 

 

Seht wie herrlich steh’n die alten Bäume!

Doch wieviel Alte siechen arm und ohne Träume!

Rackern lange, bis fast sie sterben, nichts mehr sehen,

Millionen Söhn’ und Töchter auf der Straße stehen.

 

Ein kluger Mensch – ein schlechter Untertan!

Das weiß auch jeder Schinder: Er geizt an Bildung,

Lehrern, Schulen, er will sogar Gebühren!

Oh Mensch, wann wirst du solch Gesindel an den Pranger führen?

 

Ein junger Mensch, aus den „Eliten“, ungedenk:

„Ein alter Mensch braucht doch kein neues Hüftgelenk.“

In welcher Kirch, auf welchen Schulen ist gewesen,

des Geist und Seel so früh verwesen?

 

Hartz IV – so muss man Armut heute definieren.

Hört auf zu betteln – fegt es weg! Es hilft kein Lamentieren.

Keiner kann im Alltag und in Würde damit leben

und mancher hat aus Scham und Leid – sein Leben weggegeben.

 

Nie mehr – und das ist gut! – wird jeder Arbeit finden,

Maschinen werden mehr und mehr sich für uns schinden.

Es reift zur Tat, was Menschenfreunde klar ersonnen.

Für jeden das bedingungslose Grundeinkommen!

 

Krass wächst der Reichtum, die Armut schießt ins Kraut.

Moral, Vernunft! Sie senken bittergram ihr Haupt.

Es wächst Empörung, ja der Zorn bei allen

und immer mehr sich Fäuste ballen.

 

 

 

 

Nur kein Gewalt, so geifert es von oben, oh mir wird schlecht,

denn tausend Jahre war sie unabdingbar „Recht“!

Mit ihr man Mensch verarmt, verstümmelt und erschlagen,

nur heut – bloß kein Gewalt an ihre steifen Kragen!

 

Es ist der gierig Mensch, der unsre Welt zerschellt.

Die Frage aber ist: Wer mutig sich entgegenstellt?

Ach, zählten wir Millionen – wir bräuchten kein Gewalt!

Es wär der aufrecht mut’ge Geist, der friedlich unsre Welt gestalt.

 

Ich sag’s mit Heine: Es wächst hienieden Brot genug ...

Und Rosen und Zuckerschoten auch nicht minder ...

Wer anders redet, will doch nur Betrug,

am Leben aller Menschenkinder.

 

Trist und ewig tönt’s in allen Herren Ländern:

Der Mensch sei des Menschen ärgster Feind,

Ein neues Lied! Ein bess’res Lied! Wir wollen es mit Liebe ändern!

Dass endlich froh erklingt: Der Mensch, des Menschen Freund.

 

Oh Mensch, leb diesen Traum, lass ihn, lass Dich nicht hängen!

Wenn viele kraftvoll nach den hohen Zielen drängen,

wird friedlich alles sich zum Guten wenden,

liegt lichte Zukunft sanft vereint in unsren Händen.

 

 

 

 

 Trotz-dem Leben
                                      
Es klirren die Fahnen, steif und kalt.
Ringsum noch Morden und kein erbarmend Halt.
Schon zittert der braune Größenwahn,
gehetzt und stur auf seiner  Todesbahn.
In Schutt und Asche zerbirst die Welt,
und alles, was den Mensch im Innersten zusammen hält.
Hunger schreit es aus allen Hütten,  eiseskalt.
In Ketten kniet der Mensch vor der Gewalt.
Sein Leben erlöscht,  am düstergrauen Mauerstein,
verkümmert  alles,  alles Menschlich-Sein.
„Schenkt mir Söhne!“ der Führer schreit!
Wer ist zum Morden, wer zum Sterben noch bereit?
Das große Deutschland darf nicht sterben!          
Wir wollen doch die Welt beerben!
Für jeden Sohn kriegst du -  den Judaslohn!
In dieser Dornenzeit, oh welch ein Hohn!        
So drängt, von Mutter ungewollt, von dumpfer Lust beseelt,
und Vater, den kein Gewissen lange quält –
Ob Armut oder Größenwahn, ich weiß es nicht-
mein sanftes Leben doch zum Licht.

Von Mutter verlassenen, im Haus der Zucht.
Von Schindern gequält mit kalter Wucht.
Vom Vater dem Führer so billig verkauft.
Mit welchem Irrsinn hat man mich getauft?
Nackt lag ich nun in schmutz`ger Straßenrinne,
Doch jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…
Der Mutter und jeder Heimat früh entrissen,
frag ich: Woher hat Hesse wohl sein Wissen?
                 
Nach allem hungernd, traumverlornes Kind,
Millionen auf der Erde sind.
Rastlos, fiebrig, oft dem Tode nah,
entwurzelt, nach dem Grunde suchend,
wütend noch sich selbst verfluchend.
Glücklich – lange nicht begreifend, was geschah.
Süchtig  nach den Kinderbildern, den hehren,
wo kein Geschöpf muss nichts entbehren,
Bilder, so traumhaft fremd, und oft verlacht!
es im Dunkel,  sprachlos,  blühend  ausgedacht.
Unsagbar schön, dass  kümmerlich zum Schluss,
jede Wirklichkeit verblassen muss.

Gierig, alle geilen Sinne wüten,
Bricht es achtlos schönste Liebesblüten.
Sinn-entleert ins volle Leben braust,
lädt Schuld um Schuld, reißt tiefe Narben,
wenn früh sie welkten, früh sie starben,
in seiner kindlich unbeholfnen Faust.
Nichts konnt` diese  Sehnsucht stillen,
die aufgewühlt bei jedem Lebensruf, wo es!  erkoren,
die Lieb erbettelt. Doch war sie da und ihm zu Willen,
 wurd` sie schon blass und war verloren.
Denn,  gemessen an dem  Kinderwahn, dem schönen, 
war selbst die reichste Fülle nie genug,
war`s Verrat am heil`gen Bilde, dem es mußt` fröhnen!
schien jede Liebe - nur Abglanz und Betrug.

 

Unendlich reich
hab` Alles nun in Dir  gefunden:
Liebe und Heimat! Frieden! Unbändige Lust!
Schon wollt` die Seele mir gesunden,
glücklich und satt lag ich an Deiner Brust.
Trauen, Glauben, Wissen um die tiefe Liebe,
hat uns  stolz und sanft vereint, uns nah gebracht.
Innigst flehten wir, dass es so bliebe,
Doch nach jedem Tag,  da  kommt die Nacht.
                         
Novembergraue Angst, Rom und Sonne war`n vorbei,
vergeblich verstummte unser Flehen, unser Ringen.
Und könnte mein Schmerz zum Schrei,
er würde die Welt verschlingen.
Am Grabe fasst` es der kleine Junge kaum ,
dass wieder Alles  ihm genommen.
Vorbei, der ew`ge  Kindertraum,
Erbarmungslos!  zum Alptraum ihm verkommen.

Alles hab ich nun mit Dir verloren!
Doch – wenn  Alles wird zu Nichts,
und Nichts unzerstörbar  ewig
Alles neu gebärt –
Dann bleibst Du –  in meinem Sein!
Dann bleibst Du -  mir ganz nah!
Ein neuer Traum!  Der alte Wahn?
 

Blüte im Frost  

                        

 

Gramvoll verhüllt die Sonne ihr Gesicht

seit diesen fahlen Novembertagen.

Düstrer Nebel lastet klamm auf ihrer Brust,

kaum kann sie das Leid ertragen.

 

Das Damoklesschwert es hängt und kündet: Sie muss gehen!

Und hoch aus des Fluges ätherischen Höhen stürzt

lichtentflammte Herbstzeitfreude höllentief

in aufgepeitschte Ozeane kindesalter  Seelenwehen.

 

Und Gräue Tag um Tag

und Nacht sich unbarmherzig schicht‘

verlöscht das einst so hehre Augenlicht,

ihr Odem nicht mehr strömen mag.

 

Und ahnungsvoll von Stund‘ zu Stund`

Ihr Lächeln leiser, die gold‘nen Augen dunkeln.

Der Liebsten Hand die Dornenros‘ entfällt,

und sanft das letzte Funkeln.

 

Sie ist erloschen! – Sie blüht nicht mehr!

Todnachtgedunkelt liegt die Welt und Bitternis

vergällt des Lebens Süße. Und alle Honigblüten

ergeben sterbend sich der kalten Finsternis

 

Ihr Lachen ist nicht mehr – und Freude

flieht aus jedem Wort und allem Sein.

Die Nachtigall verstummt, ihr zartes Liebeslied

zerbricht am nächt‘gen Felsen stiller Pein.

 

Seht den alten Apfelbaum, wie trostlos er im Garten steht!

Wie rührend bettelt er um ihr  Erscheinen!

Seht die wilden Rosen, dürstig‘  ihrer Wiederkehr,

vertrocknen rasch, weil Tag und Nacht sie weinen.

 

Wie sehr hat sie und sehnsuchtsvoll erkoren,

des Herbstes milde ungebund‘ne Zeit.

Unbarmherzig früh fiel harscher Frost in ihre Blüte,

erstickt die süße Frucht und alle Herrlichkeit

 

Doch – da!  in dunkler Nacht,

ein zarter Lichtstrahl kündet leis‘ sich an:

Seht, die Sonne regt sich ewig fort in allem,

bricht kraftvoll strahlend ihre Bahn!

 

Und neues Sein entsteht in wundersamer Weise:

Erlöschen wandelt zart sich im Gebären, 

erschafft den schönsten Reim, das höchste Weltenwort 

das zag verkündet: Licht ist da, das Dunkel schwindet mählich fort!

 

Wildwuchs

 

Nicht Liebe –

hat mich

in die Welt gebracht

 

Nicht Geborgen – Sein

die Heimat in mir

 

Nicht Sanftmut  -

mir den Frieden

 

Nicht Hege -

mich zur Blüte

 

Doch – ich habe Liebe

in die Welt gebracht

 

 

 

 

 

Glauben und Wissen

 

 

 

Glauben ist

ein sanfter  warmer Wind

der aus der Kälte

zu uns herüber weht.

Ein Licht,

das die Dunkelheit erhellt

 und uns`re  Ängste barmherzig umhüllt.

 

 

Zum  Wissen deklariert

verkümmert sein Zauber

 erstarrt die suchende Seele

 verstümmelt des  Menschen Geist

 zu einem fiebrigen Wahn.

 

 

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“,

sagte Sokrates,

„doch mein Glaube

  an die Unsterblichkeit der Seele 

ist ein herrliches Wagnis, das – 

selbst wenn es sich nicht erfüllen sollte –

mir einen sanften Tod beschert

und  euch meine Klagen erspart!“

 

 

 

Herbstzeitblüte

 

Mild streicht

der sanfte Spätsommerwind

über die durstige Erde

kündet leise vom Regen

und neuem  Leben

 

Dein Lächeln

ruft mich zur Zärtlichkeit

lockt mich an

den süßen Kelch der Auferstehung

der mir so lang verschlossen

 

Deine Augen

dunkel in  deiner Trauer

kamen mit dem Lächeln

zum Leben wie

die Blüte beim Anblick

des Lichts nach hartem Frost

 

Deine Seele

begehrt Wahrheit und Erkenntnis

bewegt den Zweig – hoch oben

das Saugen der Wurzeln – tief unten

drängt zur Blüte

und wahrem Leben.

Wird es in uns

noch einmal sanft erblühen?

 

 

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